Was für Verbraucher erstmal gut klingt, darüber schütteln Industrie-Verbände und Unternehmen den Kopf. Kassen im Supermarkt und in Restaurants müssen umprogrammiert werden. Zahlreiche Jahresrechnungen werden ungültig und müssen neu geschrieben werden. Kurzum: die Umsatzsteuersenkung (Umsatzsteuer ist der aktuellere Begriff für Mehrwertsteuer) in den Unternehmen umzusetzen, bedeutet einen riesigen bürokratischen Aufwand und lässt sich nicht von heute auf morgen schaffen.

haufe liefert dazu einen umfassenden Beitrag, der die verschiedenen Herausforderungen und Sonderfälle aufdeckt: Herausforderungen durch die Absenkung des Umsatzsteuersatzes 2020.

Inhalt

Was ist das Ziel der Mehrwertsteuersenkung?

Die Mehrwertsteuersenkung ist Teil eines größeren Corona-Konjunkturpakets, das den Konsum ankurbeln soll. Auf diese Weise will der Bundestag die Wirtschaft in Schwung bringen.

Was beinhaltet das Corona-Konjunkturpaket?

Auszug aus dem offiziellen Gesetzesentwurf:

Zur Bekämpfung der Corona-Folgen und Stärkung der Binnennachfrage werden folgende steuerlichen Maßnahmen umgesetzt:

  • Die Umsatzsteuersätze werden befristet vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 von 19 auf 16 Prozent und von 7 auf 5 Prozent gesenkt.
  • Die Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer wird auf den 26. des zweiten auf die Einfuhr folgenden Monats verschoben.
  • Für jedes im Jahr 2020 kindergeldberechtigte Kind wird ein Kinderbonus von 300 Euro gewährt.
  • Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird befristet auf zwei Jahre von derzeit 1 908 Euro auf 4 008 Euro für die Jahre 2020 und 2021 angehoben.
  • Der steuerliche Verlustrücktrag wird für die Jahre 2020 und 2021 auf 5 Mio. Euro bzw. 10 Mio. Euro (bei Zusammenveranlagung) erweitert so-wie ein Mechanismus eingeführt, um den Verlustrücktrag für 2020 unmittelbar finanzwirksam schon mit der Steuererklärung 2019 nutzbar zu machen.

Quelle: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/200/1920058.pdf

Was bedeutet die Steuersenkung für Unternehmen?

Als „irren, bürokratischen Aufwand“ bezeichnet Christian Dürr von der FDP die Mehrwertsteuersenkung. Recht hat er. Denn nicht nur müssen Unternehmen ihre Steuersätze für zukünftige Rechnungen und Kassenbons anpassen, sondern sie müssen ihre gesamten Rechnungen durchgehen und prüfen, ob deren Leistungs- oder Lieferzeitpunkte vollständig oder teilweise zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Dezember 2020 liegen.

Eine große Herausforderung bei vielen Unternehmen ist die Umstellung der Kassen. Großzügigerweise müssten aber nicht alle Preisauszeichnungen in einer Nacht- und Nebel-Aktion verändert werden. Pauschale Abzüge an der Kasse sind ausreichend, laut BMWi. Das Handelsblatt hält dieses Vorgehen jedoch für fragwürdig. Nichtsdestotrotz müssen ja dennoch alle Kassensysteme über Nacht umgestellt werden. Und das lässt sich nicht überall per Fernwartung erledigen. Viele werden bei den Herstellern der Kassen Schlange stehen müssen. Und das Beste ist … nach nur 6 Monaten muss alles wieder rückgängig gemacht werden. Der komplette Apparat muss auf die ursprüngliche Mehrwertsteuer zurückgestellt werden.

Andere Unternehmen müssen keine Preisschilder und Kassen anpassen, aber ihre gesamten Rechnungen prüfen und die damit verbundenen Systeme kurzfristig umstellen. Betroffen sind insbesondere CRM- und ERP-Systeme, da Unternehmen mit dieser Software in der Regel ihre Rechnungen erstellen.

Wie bei der letzten Mehrwertsteueranpassung im Jahr 2007 wird aber der größte Aufwand durch die Bearbeitung der Abgrenzungsposten entstehen. Im typischen B2B-Dienstleistungs- oder Projektgeschäft sind mehrere Monate Leistungszeitraum nicht unüblich. Auch Lieferzeiten von mehreren Wochen sind häufig der Fall. Insbesondere betroffen sind auch Managed Service Provider, da diese fast ausschließlich mit im Voraus bezahlten Abonnements arbeiten. ITscope spricht von „Steuerwahnsinn“ und schlägt eine andere Lösung vor.

Überschneiden sich solche Rechnungen mit den beiden Umstellungsdaten, ohne dass die Rechnungen den neuen Mehrwertsteuersatz ausweisen, dann werden sie ungültig. Eine Lösung wäre die Rechnungen zu splitten, was aber einen hohen Aufwand für Unternehmen bedeuten würde.

So würde sich die Mehrwertsteuersenkung auf die Rechnungsstellung im CRM oder ERP auswirken

Für den Mehrwertsteuersatz, bzw. Umsatzsteuersatz, ist der Zeitpunkt der Ausführung der Leistung maßgeblich. Sollte die Mehrwertsteuersenkung in Kraft treten, würde dies Folgendes bedeuten:

  • Neue Rechnungen mit niedrigerem Mehrwertsteuersatz ausweisen:
    Rechnungen, die einen Leistungszeitraum ausschließlich zwischen Juli und Dezember haben, müssen mit 16 % ausgestellt werden. (In der Regel einfach zu handhaben.)
  • Bereits gestellte oder erhaltene Rechnungen, deren Leistungs- oder Lieferzeitpunkte komplett zwischen dem 1.7.2020 und dem 31.12.2020 liegen, werden ungültig.
    Jede bereits gestellte Rechnung, deren Leistungs- oder Lieferzeitraum ausschließlich zwischen dem 1.7.2020 und dem 31.12.2020 liegt, wird durch die Mehrwertsteuersenkung ungültig und muss auf 16 % korrigiert werden. Das gilt sowohl für ausgehende Rechnungen als auch für Rechnungen von Lieferanten. Zu viel bezahlte Mehrwertsteuer muss der Rechnungssteller theoretisch erstatten. (bedeutet einiges an Aufwand)
  • Bereits gestellte oder erhaltene Rechnungen, deren Leistungs- oder Lieferzeitpunkte teilweise zwischen dem 1.7.2020 und dem 31.12.2020 liegen, werden ungültig.
    Dazu gehören Subscriptions, Jahres- oder 3-Monats-Abos, Miete, Leasing und so weiter. Als Lösung müssen Unternehmen Ihre Leistungen entweder in einer Rechnung mit zwei Mehrwertsteuersätzen kennzeichnen oder die Leistungsabrechnung in zwei Rechnungen aufteilen. Das betrifft Monatsrechnungen aus Juni und Dezember 2020 ebenfalls und natürlich alle Jahresrechnungen vom 1.7.2019 bis zum 31.12.2020. (bedeutet erheblichen Aufwand)

Ungültige Rechnungen werden vom Finanzamt voraussichtlich als nicht vorsteuerabzugsberechtigt eingestuft, sodass der Rechnungsempfänger, falls er die Rechnung akzeptiert und bezahlt hat, die Mehrwertsteuer draufzahlt…

Um Gutschriften bzw. Storni, neue Rechnungen, Verrechnungen, Zahlungen wie auch Rücküberweisungen von Differenzbeträgen in möglichst kurzer Zeit durchzuführen, werden wir eine neue Teilzeitstelle schaffen müssen – oder ein Tool zur Automatisierung dieses Prozesses. Unsere letzte Hoffnung ist, dass die Mehrwertsteuersenkung nicht Teil des finalen Maßnahmen-Paketes wird. Aktuell spricht jedoch leider sehr vieles dafür, dass auch diese Maßnahme umgesetzt wird.

Kommt die Mehrwertsteuersenkung tatsächlich beim Verbraucher an?

In der Plenar-Sitzung des Bundestags bezeichnet Christian Dürr das Konjunktur-Paket als „Amazon-Hilfs-Paket“. Und da ist ein wahrer Kern dran. Da sich Preise in den größeren Online-Shops häufig am Verhalten der Besucher orientieren, ist fraglich, ob die Mehrwertsteuersenkung tatsächlich einen Einfluss auf den Endpreis hat. Die Frage ist auch, ob Unternehmen und auch die Öffentliche Verkehrsverbände den Aufwand in Kauf nehmen, all Ihre Preise zu ändern, um die Mehrwertsteuersenkung an den Verbraucher weiterzugeben.

Wir als visual4 werden die Mehrwertsteuersenkung bei 1CRM und Preisen für andere Leistungen voll an unsere Kunden weitergeben. Die nicht vorsteuerabzugsberechtigten Vereine und Verbände freuen sich bereits.

Wie lässt sich die Mehrwertsteuersenkung im CRM umsetzen?

Die Änderung des Steuersatzes im CRM umzusetzen ist recht einfach. Wir empfehlen den aktuellen Standardsteuersatz auf 16 % runterzusetzen und einen zweiten Steuersatz mit 19 % zu erstellen. So wird die Mehrwertsteuer bei den Produkten automatisch angepasst und zukünftige Rechnungen lassen sich sofort mit dem neuen Steuersatz erstellen.

Den großen Aufwand werden Rechnungen machen, die bereits gestellt sind und deren Leistungszeitraum über den 1. Juli 2020 hinausgeht. Wir empfehlen allen 1CRM-Kunden Ihren Steuerberater / Ihre Steuerberaterin zu befragen, wie sie am besten mit der Mehrwertsteuersenkung umgehen. Es gibt einige Sonderfälle zu beachten, die wir in diesem Beitrag nicht abdecken können.

Wir möchten Ihnen aber eine Möglichkeit vorstellen, wie Sie Rechnungen, die über den 1. 7. 2020 hinausgehen, in zwei neue Rechnungen im CRM aufteilen können: Befristete Umsatzsteuer im CRM abbilden.

Timeline Corona-Konjunkturpaket

3.06.2020 Koalitionsausschuss verständigt sich auf umfangreiches Konjunktur- und Zukunftspaket, für das sich die Bezeichnung Corona-Konjunkturpaket etabliert hat.
12.06.2020 Bundeskabinett beschließt Gesetzesentwurf „zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise“
19.06.2020 Lesung im Bundestag und Überweisung des Antrags an den Finanzausschuss
29.06.2020 Abschließende Beratung und Abstimmung über Gesetzesentwurf
29.06.2020 Die Mehrwertsteuersenkung / Umsatzsteuersenkung ist beschlossen
01.07.2020 Die Mehrwertsteuersenkung / Umsatzsteuersenkung tritt in Kraft
31.12.2020 Die Mehrwertsteuersenkung / Umsatzsteuersenkung tritt außer Kraft

 

Die gesamte Plenarsitzung zum Corona-Konjunkturpaket und zur Mehrwertsteuersenkung finden Sie auf der Seite des Bundestages: Corona-Konjunkturpaket und Nachtrags­haushalt auf den Weg gebracht.

Grenzen zwischen B2B und B2C verschwimmen